Dithmarschen unter dem Danebrog

Dithmarschen unter dem Danebrog

Ein kurzer Abriss der geschichtlichen Entwicklung von 1559 bis 1864

Beginnen wir mit dem Ausgangspunkt der neueren Dithmarscher Geschichte, der verheerenden Niederlage von 1559. Die Sieger teilten die einstmals stolze Bauernrepublik in drei Teile und nach dem Tod von Herzog Johann dem Älteren 1581 schließlich in zwei Teile auf. Norderdithmarschen wurde dem Herzog von Gottorf zugeschlagen, während Süderdithmarschen direkt dem dänischen König unterstellt war. Diese Zweiteilung sollte in den folgenden 190 Jahren erheblichen und überwiegend negativen Einfluss auf Politik, Wirtschaft und sogar auf das Zusammenleben von Norder- und Süderdithmarschern haben. In fast der gesamten Zeitspanne sorgte die Rivalität der jeweiligen Landesherren für ein aggressives politisches Klima, das sich immer wieder in kriegerischen Auseinandersetzungen entlud. Und je nachdem, welche Partei gerade die Oberhand hatte - also die dänische oder die gottorfische, von Schweden unterstützte Seite -, traf es eines der beiden Dithmarschen besonders hart.

Einig waren sich die Fürsten allenfalls darin, den einstmals so reichen Landstrich an der Nordsee bei der Zahlung von Steuern besonders im Auge zu behalten. Daher waren sie bestrebt, die Verwaltungen hinsichtlich dieser Bedürfnisse zu modernisieren. Allerdings zeigte sich, dass sich besonders Norderdithmarschen als reformresistent erwies. Trotz der Einsetzung von Landvögten und anderen herzoglichen beziehungsweise königlichen Beamten konnten sich Reste der Kirchspielsorganisationen bis zum Beginn der Preußenzeit, teilweise sogar darüber hinaus, erhalten. Diese (Nicht-)Entwicklung lässt sich jedoch nicht ausschließlich positiv bewerten, da es insbesondere bei der Verteilung der Lasten immer wieder zu Klagen kam. Das „alte System", bei dem die reichsten Bauern das Sagen hatten, bevorzugte einige wenige und benachteiligte besonders die ärmeren Schichten. Und Lasten zu verteilen, war eine häufige Aufgabe der Kommunalverwaltungen. Denn beinahe zwei Jahrhunderte lang ist die Geschichte Dithmarschens gekennzeichnet durch die Auswirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen und kurzer Erholungsphasen.

Während des Dreißigjährigen Krieges verlagerten sich immer wieder Kampfhandlungen an die Nordseeküste. Obwohl Gefechte, die über kleinere Scharmützel hinausgingen, in Dithmarschen kaum zu verzeichnen waren, hatte die Bevölkerung unter den Einquartierungen und Requisitionen zu leiden. Zunächst waren es die eigenen Truppen, die bereits für einigen Verdruss sorgten; dann waren es die katholisch-kaiserlichen Soldaten, die über die Kirchspiele Süderdithmarschens verteilt wurden. Die Gottorfer neigten zwar zur Neutralität, doch wurde auch ihr Anteil Dithmarschens regelmäßig von Raubzügen heimgesucht.

Während weiten Teilen Europas nach dem Westfälischen Frieden etwas Ruhe vergönnt war, sorgten die nicht enden wollenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Schweden (verbündet mit dem Herzogtum Gottorf) und Dänemark für einen beständigen Strom von Einquartierungen, Requisitionen und Kontributionen. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts konnten sich die Landschaften wirtschaftlich ein wenig erholen - bevor die politischen Rivalitäten wieder in kriegerische Übergriffe ausarteten.

Aus Dithmarscher Sicht trat im Jahr 1700 der schlimmste Fall ein. Nach einem Gefecht vor Ketelsbüttel kam es erneut zu Plünderungen und Ermordung von Zivilisten. Beteiligt waren auch Männer aus Norderdithmarschen, die sich den gottorfischen Truppen angeschlossen hatten. Diese grausamen Übergriffe sollten noch Jahrzehnte Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den beiden Landschaften haben.

Im Nordischen Krieg wurde Dithmarschen erneut von ganzen Heerscharen heimgesucht. Diesmal waren es auch russische Soldaten, die ins Land gelangten. Was das an Lasten für die Bevölkerung bedeutete, wird in zeitgenössischen Schilderungen deutlich - die im Übrigen denen des Krieges genau ein Jahrhundert später durchaus ähneln. Die Soldaten kamen abgerissen und auf müden kleinen Kleppern nach Dithmarschen und verließen es gut genährt in „schönster Montur auf köstlichen und großen Pferden".

Krieg, die schweren Sturmfluten 1717 und 1720 und auch die Pest brachten die Kirchspiele immer wieder an den Rand des Ruins. Indessen vollzog sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein politischer Wandel, der für eine Blütezeit in den Herzogtümern und damit auch in Dithmarschen sorgen sollte: Die Gottorfer kamen auf den russischen Zarenthron und verzichteten nach langwierigen Verhandlungen in einem Tauschgeschäft auf ihre ohnehin stark reduzierten Gebiete in Schleswig-Holstein.

Einhergehend damit wurde auch Norderdithmarschen ein Teil des dänischen Gesamtstaates - erst jetzt stand also das gesamte Dithmarschen unter dem Danebrog (dänische Nationalflagge). Die Landschaften gediehen sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Die Verwaltungen wurden vereinheitlicht - auch auf speziell Dithmarscher Art, versteht sich. Die Landwirtschaft, immer noch der wichtigste Wirtschaftsfaktor, erholte sich trotz einiger Missernten, Viehseuchen und einer rätselhaften Mäuseplage und sorgte aufgrund hoher Agrarpreise für einen nicht unerheblichen Wohlstand unter den Dithmarscher Bauern.

Bereits in den Jahrzehnten zuvor war durch Eindeichungsmaßnahmen Neuland gewonnen worden, und die Anstrengungen zur Schaffung von so genannten Kögen wurden jetzt noch verstärkt. In dieser Zeit entstanden zum Beispiel Friedrichskoog, Büsumer Neuenkoog und Wesselburener Koog, Gebiete, in denen sich auch Bauern aus anderen deutschsprachigen Regionen ansiedelten.

Das Ende der Blütezeit kam durch die nächsten Kriege europäischen Ausmaßes, bei denen es dem dänischen König nicht gelang, die Neutralität des Gesamtstaates zu wahren. Nach dem englischen Angriff auf Kopenhagen und dem Flottenraub wurde Dänemark 1807 auf die Seite Napoleons getrieben. Noch profitierten etliche Dithmarscher von der Blockade der Eibmündung und der Kontinentalsperre. Mittels kleiner flacher Boote oder per Fuhrwagen schafften sie überteuerte Waren, die in Tönning angelandet wurden, nach Hamburg. Als Fuhrunternehmer verdienten insbesondere Knechte mehr als in der Landwirtschaft. Auf der anderen Seite profitierten Gastwirte vom Durst der Kutscher: Entlang der Hauptstraßen entstanden auch in Dithmarschen zahlreiche Wirtschaften. Die einträglichen Geschäfte endeten abrupt, als Napoleon mit erheblichem Druck auf Kopenhagen die Durchsetzung der Kontinentalsperre forderte.

Ende 1813 erreichten schließlich auch die Kampfhandlungen die Herzogtümer. Eine Nordarmee unter dem ehemaligen französischen Marschall und jetzigem schwedischen Kronprinzen Karl Johann (Bernadotte) besetzte Schleswig-Holstein, um vom dänischen König Norwegen abzupressen. In dieser Zeit suchten die Kosakeneinheiten des deutschstämmigen Brigadegenerals Tettenborn Dithmarschen heim („Kosakenwinter"), später wurden weitere russische Truppen in den Landschaften einquartiert. Zu Übergriffen kam es dabei kaum, der wirtschaftliche Schaden war durch die Requisitionen und Kontributionen jedoch extrem hoch. Als die Armee nach dem Kieler Frieden abzog, hinterließ sie ein wirtschaftlich ruiniertes Land, das noch Jahrzehnte brauchen sollte, um sich zu erholen.

Nach dem Krieg keimte daher bereits eine gewisse Unzufriedenheit mit der dänischen Regierung auf. Ein gesamtstaatlicher Patriotismus war in ganz Dithmarschen ohnehin nur in Ansätzen erkennbar, ein deutscher fast gar nicht und als Schleswig-Holsteiner begannen sich die Einwohner erst sehr spät zu fühlen. In erster Linie war man eben immer noch Dithmarscher. Auch im Gefolge der Ereignisse des Jahres 1848 entschlossen sich die führenden Westküstenbewohner mit einigem Zögern, sich der Sache Schleswig-Holsteins anzuschließen. Eine antidänische Haltung verstärkte sich jedoch erst, als nach der Niederlage der Schleswig-Holsteiner die Repressalien gegen die "Rebellen" einsetzten. Ein Empfinden, das sich weiter verstärkte. Und als es nach kurzem Krieg 1864 zur Loslösung von Dänemark kommen sollte, traten beide Dithmarschen für die Schaffung eines schleswig-holsteinischen Kleinstaates ein. Die Entscheidungen trafen jedoch die Mächtigen in Berlin - und so wurden Norder- und Süderdithmarschen 1867 schließlich preußische Landkreise.


Literatur
Dithmarschen, Zeitschrift des Vereins für Dithmarscher Landeskunde.
Märten, Georg/Mäckelmann, Karl: Dithmarschen. Geschichte und Landeskunde Dithmarschens, Heide 1927.
Nissen, Nis R.: Kleine Geschichte Dithmarschens. Heide 1986.
Opitz, Eckardt: Dithmarschen 1773-1867. Zwischen Beharren auf alten Privilegien und Bekundungen zur Modernität, in: Geschichte Dithmarschens, S. 217-254.
Witt, Reimer: Dithmarschen unter der Fürstenherrschaft (1559-1773), in: Geschichte Dithmarschens, S. 179-216.

Dr. Dieter Kienitz

Quelle: Schleswig-Holstein, hrsg vom SHHB, Spezial „Dithmarschen", 1+2/2005.